Rio im Test

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Wenn ein neuer Animations-Blockbuster ins Kino kommt, ist es inzwischen praktisch Pflicht, zeitgleich ein passendes Videospiel zu veröffentlichen. Obwohl Lizenz-Games in den letzten Jahren insgesamt etwas besser geworden sind, enttäuschen gerade die Umsetzungen von familienfreundlichen Streifen immer noch regelmäßig. Mit Rio haben die Macher der Ice Age-Reihe THQ nun eine Steilvorlage für ein richtig gutes Spiel geliefert. Das Werk ist lustig, actiongeladen und knallbunt. Da sollte es doch ein Leichtes sein, einen Klassiker abzuliefern, der es Kindern erlaubt, nach dem Kinobesuch noch viele weitere spaßige Stunden mit den Cartoon-Helden des brasilianischen Dschungels zu verbringen. Ob diese Chance genutzt wurde oder Rio sich qualitativ nicht vom Animationsumsetzungseinheitsbrei (wow, was für ein Wort...) absetzen kann, erfahrt ihr in unserem Testbericht.

Wenn eine Geschichte den Weg von der großen Leinwand auf die Konsolen dieser Welt vollendet hat, handelt es sich bei dem Ergebnis meistens um ein Action-Adventure, das sich grob an der Vorlage orientiert. Im Fall von Rio ist die Überraschung allerdings groß, denn diese Umsetzung entpuppt sich als Mini-Game-Sammlung. Zu Beginn wird der Protagonist Blu oder einer von fünf weiteren Helden des Films gewählt und anschließend beginnt der Kampf um Punkte und Anerkennung. 40 kleinen Herausforderungen sind enthalten und Xbox 360-Besitzer werden sogar mit drei Bonus-Missionen beglückt.

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Einzelgänger werden sich zu Beginn auf den Story-Modus stürzen. Hier sind die Mini-Games in Dreiergruppen sortiert. Nur wer genügend Punkte sammelt, wird mit einer Zwischensequenz belohnt und darf eine Runde vorrücken. Als Konkurrenten fungieren natürlich die weiteren schrägen aber freundlichen Vögel aus dem Film, während Rio-Fieslinge wie die Affenbande oder der Kakadu Nigel, auch im Game allen das Leben gleichermaßen schwer machen. Ein extrem merkwürdiges Manko macht sich schon früh im Spiel bemerkbar. Die Videosequenzen, mit denen Lizenzspiele praktisch immer aufgepeppt werden, sind unglaublich schlecht. Das bezieht sich weder auf die Auflösung noch auf die Flüssigkeit der bewegten Bilder, sondern auf den Inhalt. Es wirkt fast so, als hätte jemand die zehn langweiligsten Sequenzen der Vorlage ausgewählt. Die Geschichte wird nicht vorangetrieben und es gibt nichts zu lachen. Der erfolgreiche Abschluss von drei Mini-Games wird hier beispielsweise mit einem fünfsekündigen Clip belohnt, in dem ein Auto um die Ecke fährt (kein Scherz!).

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Sage und schreibe vier Multiplayer-Varianten sind verfügbar. Davon erreicht zwar keine die Klasse einer langen Mario Party-Sitzung, aber für das Mindestmaß an Abwechslung ist gesorgt. Kindergerechte Quiz-Runden, die Möglichkeit auf den eigenen Sieg zu wetten oder besondere Mini-Games, die am Ende eines langen Gefechts stehen, können durchaus ein wenig Spaß bringen, wenn genug Gleichgesinnte vor der Konsole sitzen. Offene Plätze werden von Computergegnern gefüllt, so dass immer vier exotische Vögel teilnehmen. Rio ist eins der sehr seltenen Multiplayer-Games für moderne Konsolen, die keinerlei Online-Funktionen beinhalten. Lediglich Offline-Highscore-Listen stehen zur Verfügung.

Ein Spiel für Kinder sollte abwechslungsreich, fair, lustig und möglichst gewaltfrei sein. Leider erfüllt Rio nur das letzte dieser vier Qualitätskriterien. Die Mini-Games sind schön bunt und der Streit um die höchste Punktzahl führt niemals zu virtuellen Verletzungen. Doch dummerweise beinhalten die meisten der kleinen Spielchen viel mehr frustrierende Momente als der Zielgruppe zugemutet werden sollte. Das liegt weniger an der durchaus gelungenen Steuerung als vielmehr am Design der Levels. Bereits die Perspektive ist äußerst kinderunfreundlich. Ein Großteil des Geschehens wird aus der Ferne präsentiert, so dass gerade die kleinsten Animationsfans Probleme damit haben, ihren gefiederten Stellvertreter im Auge zu behalten. Viel zu oft entscheidet das Glück über Sieg oder Niederlage, was auf Dauer für verärgerte kleine Gesichter im Wohnzimmer sorgt. In den Mini-Games geht es meistens darum, Gefahren auszuweichen und wertvolle Dinge einzusammeln. Leider tauchen die entsprechenden Objekte völlig wahllos auf dem Bildschirm auf, was zu erheblichen Vor- bzw. Nachteilen führen kann, je nachdem, wo sich der eigene Vogel gerade befindet. So lange nur Computergegner teilnehmen, ist das alles halb so schlimm, denn die künstliche Intelligenz kann auf keinem der drei Schwierigkeitsgrade überzeugen und macht genug Fehler, um trotz unfairer Situationen bezwungen werden zu können. Sobald allerdings ein paar menschliche Freunde antreten, ist der Frust tatsächlich vorprogrammiert.

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Obwohl die Anzahl der Mini-Games ein Indiz für Abwechslung ist, wird diese Hoffnung schnell enttäuscht. Hier wurde nämlich ordentlich getrickst. Ob die Vögel nun mit Matsch- oder Schneebällen aufeinander werfen, macht spielerisch beispielsweise absolut keinen Unterschied, aber nach Rio-Logik handelt es sich trotzdem um zwei Missionen. Dieses mathematische Kunststück wird immer wieder angewendet und führt letztendlich zu der auf dem Cover angepriesenen Anzahl von Spielchen. Objektiv betrachtet schlummern allerdings höchstens zehn verschiedene Herausforderungen auf der Silberscheibe, was selbst für kleine Kinder viel zu wenig ist, um länger als ein Wochenende zu begeistern. Doch es gibt auch etwas Positives zu berichten. Die Steuerung reagiert gut und ist zielgruppengerecht simpel. Sowohl die Geschicklichkeitstests als auch die gewaltfreien Shooter-Levels kommen mit einem Analog-Stick und höchstens zwei Knöpfen aus. Lediglich die selteneren Rythmus-Spiele benötigen etwas mehr Fingerfertigkeit.

Das Spiel ist ähnlich bunt wie die Filmvorlage. Außer der Farbenpracht werden aber keinerlei optische Leckerbissen serviert. Die Animationen sind qualitativ unterdurchschnittlich, die Hintergründe nahezu statisch und tolle Effekte gibt es auch nicht zu sehen. Wenn die Helden nach einem Wettstreit mal aus nächster Nähe gezeigt werden, machen sie zwar einen ordentlichen Eindruck und führen ein paar lustige Verrenkungen auf, aber auch daran hat man sich nach spätestens zehn Minuten sattgesehen. Rio ist grafisch leider genau so langweilig wie spielerisch. Die Musik schafft es ebenfalls nicht, die Stimmung des Animationsstreifens einzufangen. Es ertönen zwar ein paar Samba-Rythmen, aber die Qualität des Film-Soundtracks wird nicht annähernd erreicht. Die immer gleichen Soundeffekte und Sprüche der Protagonisten machen Rio zu einem Heilmittel gegen Schlaflosigkeit.

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Tim meint:

Tim

Der Film eignet sich durchaus als Vorlage für spaßiges interaktives Familienentertainment und auch die Idee auf den Mini-Game-Zug aufzuspringen ist grundsätzlich nicht schlecht. Trotzdem haben es die Macher von Rio nicht geschafft, den brasilianischen Karneval auf den heimischen Fernseher zu bringen. Das Spiel ist ein typischer und bedrückend liebloser Lizenz-Schnellschuss. Wer Kinder hat, die sich zu den großen Fans der bunten Vöglel zählen, sollte die Ruhe bewahren. Spätestens wenn in ein paar Monaten die DVD erscheint, wird das Game auf dem Wühltisch daneben zu einem angemessenen Preis liegen.

Positiv

  • Bunt!
  • Einfache Steuerung

Negativ

  • Atmosphäre des Films kommt nicht rüber
  • Technisch mau
  • Kein Online-Modus
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Rio Daten
Genre Genre-Mix
Spieleranzahl 1-4
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 08.04.2011
Vermarkter THQ
Wertung 4.9
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neXGam YouTube Channel
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